Barrierefreie Webseiten:
Pflicht für Sanitätshäuser und Pflegedienste
Barrierefreiheit im Netz ist kein freiwilliges Wohlwollen mehr – sie ist gesetzliche Pflicht. Insbesondere für Leistungserbringer im Gesundheits- und Pflegebereich ergibt sich ab dem 28. Juni 2025 eine klare Rechtsverpflichtung aus dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG). Wer digitale Services anbietet, muss die Vorgaben erfüllen – unabhängig davon, wie groß das Unternehmen ist. Dieser Blogartikel beleuchtet die rechtlichen und technischen Anforderungen sowie die konkreten Schritte zur Umsetzung und die Vorteile für Ihr Unternehmen.
Gesetzlicher Rahmen: Das BFSG und die Verpflichtung zur Barrierefreiheit
Der gesetzliche Rahmen des BFSG definiert, welche Unternehmen und digitalen Dienstleistungen unter die Barrierefreiheitsvorgaben fallen. Sanitätshäuser und Pflegedienste sind davon besonders betroffen, da sie häufig digitale Interaktionen anbieten, etwa Bestell-, Termin- oder Kontaktfunktionen.
Die wichtigsten Kernpunkte des BFSG:
- Rechtsquelle: BFSG §§ 1–4, mit Umsetzungsrichtlinien basierend auf der europäischen Norm EN 301 549.
- Schwellenwert: Digitale Produkte oder Dienstleistungen für Verbraucher mit mehr als 10 Beschäftigten oder über 2 Mio. € Umsatz unterliegen der Vollpflicht.
- Ausnahme für Kleinstunternehmen: Nur für Betriebe mit weniger als 10 Mitarbeitenden und höchstens 2 Mio. € Umsatz – jedoch erlischt die Ausnahme sofort, sobald Online-Funktionen wie Formulare, Terminbuchungstools oder ein Webshop angeboten werden.
- Vertragsregelungen mit Krankenkassen: Für Hilfsmittel- oder Pflegeverträge (§ 127 SGB V / § 72 SGB XI) gilt eine zusätzliche vertragliche Verpflichtung zur Barrierefreiheit, sogar bei Kleinstunternehmen. Rechtsgrundlage sind häufig die WCAG-Vorgaben oder die EN 301 549.
Technische Standards: Was bedeutet barrierefreies Webdesign?
Die Umsetzung der Barrierefreiheit erfolgt gemäß der Europäischen Norm EN 301 549, die direkt auf die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) verweist. Konkret müssen Unternehmen die Anforderungen der WCAG 2.1 oder 2.2 auf Konformitätsstufe AA erfüllen. Diese beinhalten über 50 Erfolgskriterien, die Websites barrierefrei machen. Kernpunkte sind:
- Wahrnehmbarkeit: Inhalte müssen für alle Nutzer zugänglich und wahrnehmbar sein, etwa durch ausreichende Kontraste und Alternativtexte für Bilder.
- Bedienbarkeit: Eine einfache Navigation, auch ohne Maus, muss gewährleistet sein.
- Verständlichkeit: Die Informationen sollten klar und intuitiv zugänglich sein.
- Robustheit: Websites müssen so gestaltet sein, dass sie auch von unterstützenden Technologien, wie Screenreadern, interpretiert werden können.
Stichwort BITV 2.0:
Die Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0) setzt EN 301 549 für öffentliche Auftraggeber und Behörden in Deutschland um. Doch nicht nur Krankenkassen oder Verwaltungen erwarten die Einhaltung dieses Standards – sie fordern ihn oft direkt von ihren Vertragspartnern, wie beispielsweise Sanitätshäusern.
Wichtig: Wer WCAG-AA vollständig umsetzt, erfüllt automatisch alle Anforderungen des BFSG.
Vier Schritte zur rechtskonformen und barrierefreien Website
-
1. Audit
Starten Sie mit einer vollständigen WCAG-Analyse Ihrer Website. Prüfen Sie Aspekte wie Farbschemata und Kontraste, Tastaturbedienung, semantische Struktur, die Accessibility von PDFs und mehr. -
2. Sofortmaßnahmen
Nach dem Audit stellen Sie Ihre Website technisch und inhaltlich barrierefrei um. Zu den wichtigsten Maßnahmen gehören:
• Anpassung der Kontraste,
• Einfügen von Alternativtexten für Bilder,
• Nutzung von ARIA-Landmarks,
• Erstellung logischer Überschriftenstrukturen,
• korrekte Kennzeichnung von Formularfeldern. -
3. Barrierefreiheitserklärung
Gemäß BFSG § 4 muss jede Website eine leicht erreichbare Barrierefreiheitserklärung enthalten. Diese sollte:
• den Konformitätsstatus Ihrer Website beschreiben,
• eine Kontaktstelle für Rückmeldungen bereitstellen,
• einen Feedback-Mechanismus einrichten,
• das Datum der letzten Überprüfung angeben. -
4. Monitoring
Barrierefreiheit ist keine einmalige Aufgabe. Ein jährliches Re-Testing, die Dokumentation von Fortschritten und die Nachweisführung gegenüber Krankenkassen oder Marktaufsichtsbehörden sind essenziell.
Vorteile barrierefreier Websites: Mehr als nur Rechtskonformität
Barrierefreiheit im Netz ist keineswegs nur ein gesetzlicher Zwang – sie bietet weitreichende Vorteile für Ihr Unternehmen, Ihre Markenwahrnehmung und Ihre Zielgruppen.
Vertragssicherheit
Erfüllung von BFSG und Krankenkassen-Vorgaben, keine Abmahn- oder Haftungsrisiken.
Sauberer Code und klare Semantik verbessern die Sichtbarkeit in Suchmaschinen erheblich.
Positionierung als inklusive und serviceorientierte Marke – ein modernes Bekenntnis.
Etwa 20 % der Bevölkerung profitieren direkt von barrierefreien Angeboten.
Frühe Umsetzung spart den teuren Nachrüstaufwand nach 2025.
Sanitätshäuser und Pflegedienste stehen aufgrund ihrer digitalen Interaktionen praktisch immer unter der BFSG-Pflicht. Die Ausnahme für Kleinstunternehmen gilt im Alltag selten – sobald digitale Funktionen wie Formulare oder Terminbuchungen enthalten sind, entfällt sie. Setzen Sie auf eine frühzeitige Anpassung Ihrer Website an die Barrierefreiheitsvorgaben der WCAG, EN 301 549 und BFSG. Prüfen, umstellen, dokumentieren – diese Schritte sichern Ihre Compliance, Wettbewerbsfähigkeit und echte digitale Teilhabe.
Eine barrierefreie Website ist nicht nur eine rechtliche Pflicht, sondern eine Chance, Ihre Zielgruppe effizienter zu erreichen und sich als modernes, verantwortungsbewusstes Unternehmen zu positionieren.